die kleine Pause - Mehr Wohlbefinden in deinem (Schul-) Alltag

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00:00:00: Herzlich Willkommen, hier ist die kleine Pause, der Podcast für alle, die im Schulalltag

00:00:09: gelassen, gesund und gut gelaunt bleiben möchten.

00:00:12: Mein Name ist Martina Schmidt und ich möchte dich inspirieren, den Druck rauszunehmen und

00:00:19: gut für dich selbst zu sorgen.

00:00:21: Deshalb teile ich hier im Podcast meine Erfahrungen aus Schule, Lehrerausbildung und Coaching.

00:00:26: Und ich mache mich gemeinsam mit meinen Interviewgästen auf die Suche nach einfachen und wirksamen

00:00:32: Strategien für mehr Leichtigkeit im Schulalltag.

00:00:36: Denn ich wünsche dir, dass du dich so richtig wohlfühlst in deiner Haut und zwar nicht

00:00:41: nur in den Ferien.

00:00:42: Vor ein paar Wochen hat mir eine Hörerin einen Artikel zugeschickt mit dem Titel "Jungen

00:00:56: Lehrer sind oft schwierige Patienten".

00:00:58: Und sie schrieb mir noch dazu, Martina liest mal den Artikel, der ist total spannend, das

00:01:02: könnte auch was für den Podcast sein.

00:01:04: Und ich habe den Artikel gelesen, habe bei dem Titel erst gedacht, da beschwert sich

00:01:09: jetzt jemand über uns Lehrerinnen und Lehrer.

00:01:12: Aber nee, es war ganz anders.

00:01:14: Der Psychologe Michael Mergaard, der beschreibt in seinem Artikel, ja, wie er Lehrerinnen

00:01:22: und Lehrer in der Psychotherapie erlebt und er ist jemand, der sehr gerne mit Lehrkräften

00:01:27: arbeitet und er beschreibt mit einem sehr, sehr guten Blick von außen, wie eigentlich

00:01:34: unsere alltäglichen Arbeitsbedingungen sind und wie enorm anstrengend das ist.

00:01:40: Ganz objektiv von außen betrachtet.

00:01:42: Und es ist nicht nur das.

00:01:46: Er sagt sogar über Leben in Schule, das geht nur, indem man die eigene Selbstwahrnehmung

00:01:53: abschaltet.

00:01:54: Das ist eine emotionale Abwehrstrategie, die wir brauchen, um unseren Schulalltag überhaupt

00:02:00: zu meistern.

00:02:01: Ja, und das fand ich sehr, sehr interessant und habe gedacht, diesen Menschen muss ich

00:02:07: doch mal in den Podcast einladen und mal fragen, wie er das genau meint und wie sich

00:02:13: das auswirkt auf uns, wenn wir unsere Selbstwahrnehmung abschalten.

00:02:17: Und ich habe ihn eingeladen und jetzt ist er hier.

00:02:19: Herzlich willkommen.

00:02:20: Bitte stellen Sie sich doch erst mal vor.

00:02:22: Ja, Michael Mergaard, ich bin psychologischer Psychotherapeut.

00:02:27: Darauf lege ich Wert.

00:02:29: Ich denke nämlich, dass so dieses psychologische Menschenbild besser auch zu diesem Fachgebiet

00:02:36: passt als dieses klassische medizinische Menschenbild.

00:02:39: Ich bin im Ruhestand mittlerweile.

00:02:42: Ich habe viele Jahre lang eine eigene psychotherapeutische Praxis geleitet oder geführt, also als ein

00:02:49: Mannbetrieb, aber habe immer auch mit Kollegen zusammengearbeitet, wobei wir immer selbstständig

00:02:55: waren.

00:02:56: Ich habe auch Lehrtherapien durchgeführt, Supervisionen.

00:03:00: Ich habe immer wieder auch Vorträge in Schulen abgehalten und privat bin ich, ich bin verheiratet,

00:03:09: habe vier Kinder.

00:03:10: Und als das letzte unserer Kinder, unser Elternhausverlies, schlug meine Frau ihre Hände über

00:03:19: den Kopf zusammen und sagte, oh mein Gott, jetzt bin ich ja allein erziehend.

00:03:22: Sie ist auch Lehrerin.

00:03:27: Sie ist auch Lehrerin.

00:03:28: Ah, okay.

00:03:29: Da bauen sie mir gerade eine Brücke.

00:03:31: Ich wollte nämlich fragen, wie sind Sie denn überhaupt auf das Thema Lehrer, Lehrergesundheit

00:03:36: gekommen?

00:03:37: Haben das also durch Ihre Frau, die als Lehrerin tätig ist?

00:03:41: Ja und nein.

00:03:42: Es ist natürlich schon so, wenn man als Psychotherapeut arbeitet, hat man automatisch auch Kontakt

00:03:48: zu Lehrern und im Kollegen, im Kolleginnenkreis spricht man darüber, dass es eben auch schwierige

00:03:53: Patienten sind.

00:03:55: Aber nun habe ich eben auch privat über meine Frau viele Kontakte zu Lehrern.

00:04:01: Wir sind mit Lehrern und Lehrerinnen befreundet.

00:04:03: Und so nach und nach fühlen wir auf, dass das eben eine ganz besondere Klientel ist.

00:04:10: Und zudem habe ich meine Frau öfters aus der Schule abgeholt, gerade in der ersten Zeit.

00:04:17: Und ich dachte, ich halte das nicht aus.

00:04:19: Also dieser Lärm, dieses Gewusel.

00:04:22: Wie halten die das bloß aus?

00:04:24: Und dann fiel mir bei meiner Frau auf, dass sie immer am ersten Tag nach den Ferien,

00:04:31: wenn sie das erste Mal wieder zur Schule ging, nach Hause kam und sagte, oh, das war hier

00:04:36: so laut.

00:04:37: Das war so furchtbar laut.

00:04:38: Ab dem zweiten Tag sagte sie das nicht mehr.

00:04:41: Darauf kommen wir ja vielleicht noch zu sprechen, was das bedeutet.

00:04:45: Auf jeden Fall.

00:04:46: Auf jeden Fall.

00:04:47: Ja.

00:04:48: Also insofern war ich offen für Lehrer und ich sprach ja eben davon, dass Psychotherapeut

00:04:56: immer auch Kontakt zu Lehrern haben.

00:04:58: So eine typische Situation stellen sich vor.

00:05:02: Eine Gruppentherapie beginnt.

00:05:04: Es ist die erste Sitzung.

00:05:06: Reihum stellt man sich vor und dann sagt der erste vielleicht, ja, ich habe so Ängste

00:05:10: und weiß gar nicht, wie ich damit fertig werde.

00:05:13: Die zweite sagt, mein Partner hat mich verlassen, damit komme ich überhaupt nicht zurecht.

00:05:17: Und die dritte sagt vielleicht, ich muss die ganze Zeit heulen.

00:05:22: Ich weiß gar nicht, was los ist und so weiter und so fort.

00:05:25: Und dann kommt jemand, der sagt, wenn ich das so höre, das habe ich alles gar nicht.

00:05:31: Bei mir ist eigentlich alles in Ordnung.

00:05:33: Aber meine Frau sagte, ich sollte hier mal teilnehmen, das würde mir gut tun.

00:05:38: Dann passierte was Interessantes.

00:05:40: In meinem Kopf, also ich dachte dann, Mensch, das ist ein schwieriger Patient.

00:05:47: Der ist ja voller Widerstand.

00:05:49: Der ist so im Kopf.

00:05:50: Hat gar keinen Kontakt zu seinen Gefühlen.

00:05:53: Und hoffentlich passt er in diese Gruppe rein.

00:05:55: Und dann passierte auch seitens der Gruppe meistens so etwas, dass dann andere Teilnehmer

00:06:01: sich zu Wort meldeten und ihn ansprachen.

00:06:04: Wohlgemerkt in der ersten Sitzung.

00:06:06: Man kannte sich ja noch nicht.

00:06:08: Also ihn ansprachen und sagten, ich habe irgendwie so Angst vor dir.

00:06:13: Du bist so im Kopf.

00:06:14: Ich kann dich gar nicht fühlen.

00:06:18: Und meine Güte natürlich war das auch das, was ich empfunden habe.

00:06:23: Aber nach und nach lernte ich, dass wir dem Lehrer, der Lehrerin damit auch großes Unrecht tun.

00:06:29: Weil das, was man als Psychotherapeut eben, als Widerstand, Vermeidung und so weiter

00:06:38: oder unbewusst Konflikte andichtet, ist einfach eine notwendige Strategie aus meiner Sicht,

00:06:46: um im Schulalltag zu überleben.

00:06:48: Das heißt also diesen Teilnehmer in der Gruppentherapie, den Sie gerade beschrieben haben,

00:06:55: das wäre jetzt also, sag ich mal, so ein typischer Lehrer.

00:06:58: Also das wäre so ein Verhalten, was Sie oft festgestellt haben, wenn Sie denn Lehrkräfte in der Therapie haben.

00:07:04: Dass dann erstmal so eine Abwehrhaltung da ist, so im Sinne von eigentlich geht es mir gut.

00:07:08: Ich habe gar kein Problem.

00:07:09: Hab ich das richtig verstanden?

00:07:11: Genau.

00:07:12: Die bringt es auch typische Lehrerin.

00:07:14: Also da mache ich gar nicht so große Unterschiede.

00:07:17: Es zeigt sich etwas unterschiedlich vielleicht, aber das ist glaube ich marginal.

00:07:22: Und das zeigt sich dann auch, wenn der Betreffende zur Therapie kommt.

00:07:28: Wie die Lehrerin sich präsentiert, dann in den ersten Stunden ist, mit das gesagt wird,

00:07:36: ich habe das und das Problem.

00:07:38: Also zum Beispiel sehr häufig, ich habe plötzlich Panikattacken bekommen.

00:07:43: Ansonsten ist alles gut.

00:07:45: Viele Lehrer kommen auch und das finde ich und fand ich immer erschreckend aufgrund

00:07:51: von körperlichen, schweren körperlichen Erkrankungen.

00:07:54: Und da gab es schon auch im Freundeskreis und im Kollegium meiner Frau, früh solche Erkrankungen,

00:08:02: wie Schlaganfall, Herzentfarkt, Tinnitus, Schwerhörigkeit und so weiter und so fort.

00:08:09: Also Dinge, die man gar nicht in erster Linie vielleicht mit der psychischen Situation in

00:08:15: Verbindung bringt.

00:08:16: So und dieser Lehrer oder die Lehrerin sitzt jetzt in der Therapie und man könnte jetzt

00:08:24: rational mit dem betreffenden Stunden lang reden, ohne dass da wirklich was passiert.

00:08:30: Über die Symptome, die nach außen oder auch über das, was ja eigentlich gar kein Problem

00:08:35: ist.

00:08:36: Genau.

00:08:37: Dass eigentlich alles in Ordnung ist, dass der Betreffende eigentlich gut mit allem

00:08:42: klar kommt.

00:08:43: Und dann habe ich die Erfahrung gemacht, so die normale Lehrkraft in der Therapie braucht,

00:08:51: manchmal fünf, manchmal zehn, manchmal 20 Stunden an Therapie, bis er oder sie an dem

00:08:57: Punkt ist, an dem anderen, ich sage mal normale Patienten, von Anfang an sind.

00:09:03: Nämlich, dass sie mit ihrem Leid identifiziert sind, sprich viele Patienten kommen und man

00:09:10: sieht ihnen an, dass sie leiden, sie beinen oder sie sind völlig verzweifelt.

00:09:14: Das ist ganz, ganz anders so bei Lehrkräften.

00:09:18: Nichtsdestotrotz und auch das musste man erstmal lernen, ist es so, dass sich doch recht schwere

00:09:27: Zustände dahinter verborgen haben.

00:09:29: Also viele Lehrer und Lehrerinnen brauchen, wenn sie erstmal diesen Schritt gemacht

00:09:34: haben, nicht nur eine Therapie, sondern auch langfristige Dienstunfähigkeiten.

00:09:40: Halbes Jahr, ein Jahr, zwischendurch dann auch stationäre Reha-Maßnahmen und oftmals

00:09:50: haben sie es am Anfang gar nicht einordnen können.

00:09:52: Aber man kann sagen, dass die Überlastung, die Symptome so nach und nach erst so ins

00:09:57: Bewusstsein kletterten.

00:09:59: Und jetzt, wo jemand schon mal raus war, für vielleicht zwei Wochen aus der Schule,

00:10:06: kamen solche Geschichten, zum Beispiel, der oder die Betreffende erzählt.

00:10:10: Ich bin da und da langgegangen und da traf ich paar Jugendliche, das könnten meine Schüler

00:10:15: gewesen sein und ich habe auf einmal massive Panik gekriegt.

00:10:18: Und ich kann gar nicht mehr ins Schulgebäude.

00:10:21: So, das finde ich erstaunlich oder um es vielleicht mal bildlich zu machen, während die Befindlichkeit

00:10:30: von normalen Patienten in Anführungszeichen, bevor sie zur Therapie kommen, so ganz langsam

00:10:36: abfällt, also es geht ihnen immer schlechter, bleibt der Lehrer, die Lehrerin auf hohem

00:10:42: Niveau und dann passiert plötzlich etwas und der Absturz ist total.

00:10:47: Ein richtiger Einbruch.

00:10:48: Richtiger Einbruch.

00:10:49: Genau, und das spannende, ja, die Ursache dafür, die haben Sie in Ihrem Artikel so schön

00:10:56: beschrieben, Sie sagen ja, dass im Grunde dieses, ja, sich gar nicht dessen bewusst zu

00:11:01: sein, wie belastet man sich fühlt, dass genau das die Strategie ist, mit der wir es überhaupt

00:11:08: schaffen, diesen Job zu machen.

00:11:10: Vielleicht können Sie das ja mal ein bisschen genauer erklären.

00:11:13: Das ist das Verrückte und das muss man erstmal auch verstehen.

00:11:16: Ja.

00:11:17: Und so über die eigene Begrenztheit der Perspektive hinweg kommen.

00:11:23: Ja, das scheint tatsächlich zu sein, um in diesem krankmachenden Umfeld Schule überleben

00:11:30: zu können, brauche ich eine krankmachende Strategie, eine pathogene Strategie, nämlich

00:11:36: das Dissoziieren, das Abspalten.

00:11:39: Ich kann es mir als Lehrkraft nicht leisten mit meinem vollen emotionalen Instrumentarium

00:11:47: dieses Gebäudeschule und die Systemschule zu betreten.

00:11:50: Also ich glaube, jeder nicht Lehrer, der in die Schule geht, er merkt es sofort.

00:11:55: Ja.

00:11:56: Und der Lehrer, die Lehrer müssen das einfach sozusagen das eigene Empfinden an der Garderobe

00:12:02: abgeben.

00:12:03: Also ich glaube, da müssen wir gleich unbedingt nochmal genauer drauf zurückkommen.

00:12:08: Das können jetzt die Hörerinnen und Hörer erstmal einen Moment sacken lassen.

00:12:11: Ich habe nämlich auch einen Moment gebraucht, als ich das gelesen habe und beim Lesen ist

00:12:16: ja immer so, man kann warten, nochmal leben.

00:12:19: Und vielleicht gucken wir jetzt erstmal, Sie haben das einfach so lapidar gesagt, um in

00:12:22: diesem krankmachenden Umfeld überhaupt überleben zu können.

00:12:26: Dann sagen Sie doch mal aus Ihrer Sicht des Psychotherapeuten, was ist denn so krankmachend

00:12:31: am Umfeld Schule?

00:12:33: Viele rund um uns herum in der Gesellschaft ist doch eher landläufig, die Meinung, den

00:12:38: Lehrern geht es doch gut, die dürfen doch in geheizten Räumen arbeiten, die haben doch

00:12:42: ihr sicheres Gehalt, was haben die denn für Probleme?

00:12:45: Was ist das krankmachende an unserem Umfeld?

00:12:48: Das haben Sie so wunderbar beschrieben.

00:12:50: Ich fange mal mit dem offensichtlichen an.

00:12:53: Ja.

00:12:54: Wenn man in einer fremden Stadt durch die Straßen geht, dann fallen einem Schulgebäude einfach

00:13:00: da an dem desolaten Zustand auf.

00:13:04: Es ist nicht mal ganz so wie vielleicht noch vor Jahren, das mag auch in den Bundesländern

00:13:08: verschieden sein, aber es fängt schon mit diesen ganz banalen, basalen physischen, physikalischen

00:13:15: Dingen an.

00:13:16: Also Abschattung gegen Sonne, Lärm, Ausgasung von CO2, natürlich auch ob eine Umgebung

00:13:28: schön ist.

00:13:29: Dann diese Dinge springen einem ins Auge, finde ich.

00:13:35: Ich will mal ein Beispiel sagen, was ich ganz besonders, was mir ganz besonders im Gedächtnis

00:13:41: geblieben ist.

00:13:42: Als ich als Vater zu einem Elternabend ging in die Grundschule, war die Klassenlehrerin

00:13:50: eine sehr große Person, fast so groß wie ich, also knapp 1,90 schätze ich mal.

00:13:54: Und sie hatte einen Stuhlkreis für uns Eltern aufgebaut und sagte so, nehmt sie bitte Platz

00:14:00: und ich setzte mich auf die Kinderstühle und sagte sofort zu ihr, ich kann mich nicht

00:14:05: hier keine 5 Minuten sitzen.

00:14:07: Dann ging diese Frau mit mir durch verschiedene Räume und hat mir einen ordentlichen Stuhl

00:14:14: besorgt.

00:14:15: Sie selbst blieb auf dem Stuhl sitzen, bisschen übertrieben gesagt, die Knie neben den Ohren,

00:14:22: völlig eingeklemmt, konnte eigentlich überhaupt nicht mehr atmen.

00:14:25: Also das ist das, was Lehrern und Lehrern zugemutet wird und wurde.

00:14:30: Genau, es geht um grundlegenden Arbeits- und Gesundheitsschutz, der für Lehrkräfte genauso

00:14:34: gelten sollte wie für alle anderen Arbeitnehmer.

00:14:37: Auf jeden Fall.

00:14:38: Also das wäre jetzt erstmal das Offensichtliche, wo sie sagen ganz glasklare Belastungsfaktoren,

00:14:43: sogar messbar, wenn es jetzt um Lärmbelastung und Ähnliches geht.

00:14:46: Was ist noch krankmachend an unserem Umfeld?

00:14:49: Sie haben da ja noch mehr Punkte.

00:14:51: Also das nächste, was ich anführen möchte, ist das, was ich Affensyndrom genannt habe.

00:14:57: Das geht zurück, diese Bezeichnung auf ein altes psychologisches Experiment.

00:15:03: Wir müssen jetzt nicht über Ethik bitte in der Forschung sprechen.

00:15:07: Also es wurde ein Affe an Strom angeschlossen, ihm wurde eine Aufgabe gegeben und immer,

00:15:12: wenn er die Aufgabe falsch gelöst hat, kriegt er einen Stromschlussstoß.

00:15:16: Dieser Affe war messbar unter Stress.

00:15:19: Nun wurde ein zweiter Affe an ihn angeschlossen.

00:15:23: Dieser zweite Affe konnte selbst nichts tun.

00:15:26: Aber er kriegte auch bei jedem Fehler des ersten Affen ebenfalls einen Stromstoß.

00:15:31: Dieser Affe war noch mehr unter Stress und vor allen Dingen entwickelte er so etwas,

00:15:37: was man als depressive Symptome bezeichnen kann, weil er zusätzlich hilflos ist.

00:15:43: Und ich glaube aus meiner Sicht, sie können mich ja gerne korrigieren,

00:15:46: aus meiner Sicht muss der Lehrer die Lehrerinnen Aufgaben übernehmen,

00:15:53: ohne die entsprechenden Ressourcen zu haben oder Kompetenzen, also auch Kompetenzen.

00:15:59: Und zum Beispiel Lehrer müssen als Drogenfachleute fungieren,

00:16:03: als Psychiater, als Krankenschwestern, also als Kinderschwestern.

00:16:08: Meine Frau musste immer wieder auch Schüler in den Po abwischen,

00:16:12: in der Sonderschule oder in einem Förderunterricht später.

00:16:14: In der Grundschule erleben wir das auf jeden Fall,

00:16:17: alleine schon durch die extreme Unterbesetzung, die wir haben.

00:16:21: In kleinen Kolleginnen müssen ja auch sämtliche Aufgaben abgedeckt werden,

00:16:25: die in einem großen Kollegium halt besetzt werden müssen.

00:16:28: Und da haben dann einzelne Personen ganz viele unterschiedliche Rollen,

00:16:31: die sie erfüllen müssen und genau wie sie sagen, ohne entsprechende Ressourcen zu haben.

00:16:36: Sei es jetzt die entsprechende Qualifikation, sei es eine entsprechende Stundenentlastung,

00:16:40: also da kann ich auf jeden Fall bestätigen.

00:16:43: Wie sagt man Low Resources, High Demand, sagt man heute, glaube ich.

00:16:47: Das scheint mir ein ganz wesentlicher Punkt zu sein,

00:16:52: das habe ich in keiner anderen Berufsgruppe so massiv erlebt.

00:16:57: Ohne dass die Lehrer selbst das so benennen oft.

00:17:03: Das finde ich auch immer erstaunlich.

00:17:05: Das gehört eben auch mit zu diesem Abspalten, zu diesem Dissozieren.

00:17:09: Dann glaube ich, ich komme nachher zu dem für mich wichtigsten Punkt.

00:17:15: Ich glaube, ich denke so wie ich Lehrerinnen und Lehrer kennengelernt habe,

00:17:20: dass viele Misserfolgsorientiert sind.

00:17:23: Also zum einen sieht man ja ständig die Bildungskatastrophe

00:17:27: und arbeitet dagegen an und kann eigentlich nichts machen.

00:17:30: Aber letzten Endes geht es, wie zum Beispiel in diesem letzten Beispiel,

00:17:35: oft ja nur darum Fehler zu vermeiden.

00:17:38: Und einen typischen Dialog zwischen Lehrern habe ich mir immer wieder erzählen lassen,

00:17:45: dass der eine Lehrer vielleicht oder die Lehrerin mal zum Kollegen sagt,

00:17:51: du mit diesem Schüler komm ich überhaupt nicht zurecht.

00:17:55: Und die Antwort des anderen ist auch mit dem habe ich keine Probleme.

00:17:59: Also das ist wie eine Watschen bei uns in der Psychotherapie.

00:18:05: Fehlt das eher als Zeichen der Kompetenz,

00:18:08: dass man die eigene Beschränktheit nicht nur wahrnehmen,

00:18:10: sondern auch mitteilen und eben bearbeiten kann.

00:18:13: Es passiert beides, also es passiert das, was Sie gesagt haben.

00:18:18: Das ist dann entweder heißt, habe ich gar keine Probleme,

00:18:21: oder eben, dass man sich gegenseitig aufschaukelt.

00:18:24: Und dass dann der andere anfängt, oh ja, der ist schlimm,

00:18:27: aber ich habe noch einen schlimmeren in meiner Klasse.

00:18:30: Also auch das gibt es, was dann aber auch nicht wirklich hilfreich ist an der Stelle.

00:18:34: Und das Problem ja auch nicht löst.

00:18:37: Sie können ja nichts machen, Sie können ihn ja nicht nach Hause schicken.

00:18:40: Nee, es hilft dem anderen ja auch nicht,

00:18:44: jetzt genau mit diesem Problem klarzukommen und das besser zu bewältigen.

00:18:48: Aber so dieser Blick auf die Fehler, das sagen auch viele Kolleginnen und Kollegen,

00:18:52: das ist einfach so eine berufliche Deformation, die wir da haben.

00:18:56: Genauso wie ich halt auch als Lehrerin nur ganz, ganz schwer ein Text lesen kann,

00:19:00: ohne Direktschreibfehler zu bemerken.

00:19:02: Oh, das geht mir auch so.

00:19:05: Das ist da eben auch offen, dass dann doch der Fokus eher auf den Fehlern liegt

00:19:10: und dass man sich wirklich immer wieder auch selber disziplinieren muss und sagen muss,

00:19:14: nee, ich möchte ja anders denken, aber das ist oft schwer.

00:19:17: Ja, ja.

00:19:19: Sie sagen, das trägt also auch dazu bei, dass, dass unser Umfeld uns eher

00:19:22: schwächt und krank macht, weil wir eben den Fokus auf das haben, was negativ ist

00:19:28: und damit wahrscheinlich auch immer mehr davon wahrnehmen,

00:19:31: weil wir den Fokus so sehr in diese Richtung.

00:19:33: Ja, zum einen das zum anderen, aber glaube ich, dass das auch ein Symptom

00:19:37: dieses Dissoziierens ist, weil zu dem Fehler, dem eigenen Fehler

00:19:42: gehören ja auch Spächen und Bedürfnisse.

00:19:44: Und Bedürfnisse, also wirkliche, vitale Bedürfnisse mitzuteilen,

00:19:50: fällt vielen schwer.

00:19:51: Auch dazu vielleicht ein kurzes Beispiel.

00:19:54: Ein Hauptschullehrer kurz vor der Pensionierung

00:19:58: erzählte mir, dass er eine Thrombose hatte.

00:20:00: Der Arzt habe ihm gesagt, er müsse wegen dieser Thrombose viel trinken.

00:20:06: Und ich fragte ihn, ja, und tun Sie das?

00:20:08: Nee, sagte er, ich kann gar nicht trinken, weil ich nicht zum Klo kann.

00:20:11: Genau, das ist ein Vormittag.

00:20:14: Aber obwohl das ein Mensch war, der sich durchsetzen konnte,

00:20:17: der selbstsicher war, der berät war, er kam nicht mal auf die Idee

00:20:22: zu sagen, Leute, so geht das nicht.

00:20:25: Sein Chef zu sagen, hier, ich habe ein Problem und löse das für mich

00:20:28: oder Administration, löse das für mich.

00:20:31: Also dieses Mitteilen von Bedürfnissen, ich kann nicht mehr,

00:20:36: ich mag nicht mehr, mir ist das zu viel.

00:20:38: Das fällt vielen schwer.

00:20:41: Ja, und das fängt tatsächlich bei so grundlegenden Bedürfnissen an.

00:20:44: Kann ich absolut bestätigen.

00:20:46: Also wenn ich Workshops gebe an Schulen, da ist auch ganz oft das Thema.

00:20:49: Und ich bin immer wieder erschüttert, wie viele erwachsende Menschen dann sagen,

00:20:53: nein, ich schaffe das einfach nicht, morgens zur Toilette zu gehen.

00:20:56: Ich verknife mir das, ich verknife mir das trinken.

00:20:59: Und ja, da müssen wir uns gar nicht drüber unterhalten,

00:21:03: was das für ein Stress dem ganzen System macht.

00:21:05: Wenn ich solche Grundbedürfnisse unterdrücke.

00:21:07: Und da kann man sich nur vorstellen, was man dann alles noch unterdrückt.

00:21:11: Genau, und für diesen Menschen war das ist das lebensbedrohlich.

00:21:15: Also wenn er nicht dringt, dann löst sich vielleicht ein Trombus

00:21:19: und wandert dann in die Lunge typischerweise.

00:21:22: Und das finde ich gefährlich.

00:21:25: Ja, vielleicht gucke ich noch mal, ob ich noch was vergessen habe.

00:21:28: Also man kann viel dazu sagen, ich glaube, wichtig ist auch so dieses

00:21:32: diese mangelnde Anerkennung von außen, das ist ihnen ja auch bewusst.

00:21:37: Ich weiß nicht, ich hab den Eindruck ein bisschen hat sich vielleicht getan.

00:21:42: Aber der Lehrerberuf gehört ja auch zu den sogenannten Semiprofessionen,

00:21:47: genau wie Friseure und Psychotherapeuten, übrigens auch.

00:21:50: Also Semiberuf heißt eigentlich kann das jeder.

00:21:54: Ach so. Ja, ich weiß es nicht.

00:21:57: Also Harald Schneiden, Psychotherapie unterrichten kann.

00:22:01: Genau, das kann eigentlich jeder.

00:22:03: Man muss ja nur ein bisschen reden.

00:22:05: War mir nicht so bewusst.

00:22:06: Also bei Schule leuchtet es mir noch ein,

00:22:08: weil ja natürlich jeder von uns irgendwann mal in der Schule war als Schüler.

00:22:13: Und dann meint man, ja, der Sprung auf die andere Seite kann ja nicht so schwer sein.

00:22:17: Ich habe ja jahrelang als Schüler im Unterricht gesessen.

00:22:19: Ich weiß ja, wie der Hase läuft.

00:22:21: Kann nicht so schwer sein.

00:22:22: Bei Psychotherapeuten und Friseuren stelle ich mir

00:22:24: es ein bisschen schwerer vor, die Seite zu wechseln.

00:22:27: Aber gut, es ist eine Semiprofession

00:22:29: und jeder meint, er kann uns da reinreden.

00:22:31: Ja, also Psychotherapeuten reden ja nur ein bisschen

00:22:33: und jeder hat auch schon mal mit Freund oder Freundin über ein Problem geredet

00:22:37: und gar nicht so schlecht.

00:22:38: Ja, ja. Und jeder hat auch mal vielleicht sich oder anderen die Haare geschnitten.

00:22:42: Und weil das so ist, heißt es natürlich auch.

00:22:46: Also wir haben das hier in Schleswig-Holstein immer wieder erlebt,

00:22:49: dass dann völlig fachfremde als Ersatz und Lehrpersonal eingesetzt werden.

00:22:54: Daran sieht man, wie die Wertschätzung dem Lehrerberuf gegenüber

00:22:59: von politischer Seite auch aussieht.

00:23:01: Na, das finde ich schlimm.

00:23:03: Das natürlich geht es nicht.

00:23:04: Und meine Frau hat immer wieder auch erzählt,

00:23:06: welchen Müll im übertragenen Sinne sie wegräumen musste,

00:23:11: wenn jetzt jemand anders in allerbester Absicht die Klasse vorher hatte.

00:23:16: Und dann kommt sie und dann ist da Tohobabohu los in dieser Klasse.

00:23:20: Ja, und wenn sie die mangelnde Anerkennung ansprechen,

00:23:24: da meinten sie ja gerade, es ist etwas besser geworden.

00:23:28: Das ist sehr unterschiedlich.

00:23:29: Also ich denke schon, dass der einzelne Kollege, die einzelne Kollegin,

00:23:34: das vielleicht dann doch an seiner Schule auch schon mal positiv erlebt,

00:23:37: so wie wir zum Beispiel jetzt an meiner Schule gerade wieder die Eltern befragt haben,

00:23:41: wie sie zufrieden sind mit dem Distanzunterricht und die Eltern sind sehr zufrieden.

00:23:45: Das freut uns natürlich sehr.

00:23:47: Aber wenn man das allgemeine Bild in der Öffentlichkeit hört,

00:23:50: dann stehen jetzt ja auch Lehrkräfte wieder sehr stark in der Kritik,

00:23:54: weil sie es jetzt immer noch nicht hinbekommen.

00:23:56: Es waren doch Sommerferien zwischendurch.

00:23:58: Da hätte man doch genug Zeit gehabt, jetzt auf digitales Lernen umzustellen und so weiter und so fort.

00:24:03: Also da sind dann schon viele sehr schnell mit der Kritik dabei.

00:24:07: Und da sind wir auch wieder bei vielen Ressourcen.

00:24:10: Wenn ich nicht die Ressourcen habe, kann ich nicht den Unterricht machen,

00:24:14: den ich vielleicht gern machen würde, obwohl ich dazu durchaus in der Lage wäre,

00:24:18: aufgrund meiner Fähigkeiten wäre nicht das Problem.

00:24:21: Also fehlende Anerkennung ist auf jeden Fall,

00:24:24: da gebe ich Ihnen recht ein ganz krankmachender Faktor.

00:24:26: Und ich würde Sie so gerne bitten, dass Sie jetzt zu Ihrem wichtigsten Faktor was sagen.

00:24:31: Haben Sie ja gerade schon gesagt, Sie haben noch was ganz Wichtiges,

00:24:34: was Sie gar nicht auf dem Schirm haben?

00:24:36: Ich behaupte, dass es der Lehrerinnen dem Lehrer nicht bewusst ist,

00:24:42: nämlich das Crowding.

00:24:44: Crowding von Englisch Crowd, die Masse besagt einfach.

00:24:49: Die subjektive Reaktion darauf, sich in einem Raum mit mehreren Menschen zu befinden.

00:24:55: Die soziale Dichte ist sozusagen das physikalische Maß,

00:25:00: also Person pro Quadratmeter, könnte man sagen.

00:25:02: Aber dieses Erleben des Crowding muss nicht damit einhergehen.

00:25:10: Also manchmal reiste eine Person zum Beispiel im Fahrstuhl und man fühlt sich schon gekrowdet.

00:25:16: Oder stellen Sie sich einen langen Flur vor.

00:25:19: Ich kenne das so aus meiner Studentenzeit.

00:25:21: Man geht an dem einen Ende des Flures los zum Ausgang und dann vom anderen Ende kommt einem

00:25:28: einer entgegen und gefühlt.

00:25:29: Dauert dieser Begegnungsprozess fünf Minuten.

00:25:32: Auch das ist Crowding.

00:25:34: Also Crowding, da muss man sagen, das ist kaum in einem anderen Beruf so massiv gegeben

00:25:44: wie in der Schule.

00:25:45: Vielleicht noch Kindergärten mit den Kindergärtern habe ich weniger gearbeitet.

00:25:50: Vielleicht gibt es hier und da noch andere Berufe.

00:25:53: Aber mir ist zumindest kein anderer Beruf bekannt, bei dem das Crowding so zu Buche schlägt.

00:26:00: Crowding heißt, dass durch dieses ständig anderen Menschen ausgesetzt sein,

00:26:07: alle physiologischen Parameter in die Höhe fahren.

00:26:12: Glutdruck, Herzschlachrate, der Hautwiderstand lässt nach.

00:26:15: Also man transpiriert etwas, Muskelspannung steigt.

00:26:19: Also alle Parameter fahren in die Höhe.

00:26:23: Also alle so typische Stresssymptome, körperliche Stresssymptome.

00:26:27: Ja, genau.

00:26:28: Wobei der Betreffende es gar nicht unbedingt negativ fahren nehmen muss.

00:26:31: Also man kann sogar auch sich wohl fühlen und gekrowdet sein.

00:26:37: Zunächst mal ist dieses Phänomen des Crowdings völlig unabhängig davon,

00:26:42: inwieweit speziell negative Erfahrungen sich da noch quasi drauf satteln.

00:26:49: Crowding heißt einfach, ich bin so und so lange, so und so viel Prozent meiner Arbeitszeit

00:26:54: mit vielen Menschen zusammen.

00:26:56: Und das bin ich ja immer.

00:26:57: Das sind Sie immer.

00:26:58: Ich bin ja immer mit anderen zusammen, wenn ich in der Schule bin.

00:27:00: Außer ich bin mal, ja, außer ich gehe zur Toilette.

00:27:03: Oder schließe ich mich nicht in das Zimmer ein.

00:27:06: Ja, oder das.

00:27:07: Aber wenn Sie über den Flur gehen, treffen Sie auch Schüler und Kollegen.

00:27:11: Und viele haben mir erzählt, dass das Crowding im Lehrerzimmer fast noch am schlimmsten ist.

00:27:16: Jetzt kommt natürlich hinzu dieses Crowding.

00:27:20: Ach so, vielleicht erst nochmal Folgendes.

00:27:23: Wenn ich im Crowding bin und in der Lage bin, mich wahrzunehmen,

00:27:31: dann ist das zunächst mal nicht schlimm, weil ich automatisch hinterher eine Pause mache.

00:27:38: Weil wir aber vorhin gesagt haben, der Lehrer muss ja seine Befindlichkeit,

00:27:42: seine Selbstwahrnehmung quasi abgeben, nimmt er es erstens gar nicht wahr,

00:27:48: denkt zweitens auch nicht drüber nach und drittens würde er auch bender drüber nach,

00:27:52: dächte, denken, na ja, meine Kolleginnen, meine Kollegen, schaffen das ja auch.

00:27:57: Stell dich nicht so an.

00:27:58: So, das heißt, es gibt im Grunde keine Erholung von diesem Crowding.

00:28:06: Und Crowding ist in der Schulzeit immer und überall.

00:28:11: Man hat nicht mal einen privaten Raum, wie es fast in jedem Auge

00:28:16: anderen Beruf der Fall ist. Die Lehrer entgeht mit dem Ablagefach, so habe ich das oft gesehen,

00:28:20: von einer Klasse zum Lehrerzimmer, vom Lehrerzimmer in die andere Klasse, einige wenige Fach. Lehrer

00:28:26: haben vielleicht zu ihren Physik ihren Chemieraum und dürfen fast immer da bleiben. Bei denen ist

00:28:32: das Crowding mehr dadurch gegeben. Ich habe Lehrer auch in Therapie gehabt, die pro Woche 200

00:28:39: verschiedene Schüler gesehen haben. Also weiter für den Schulen durchaus. In der Grundschule

00:28:45: sieht es ein bisschen anders aus. Aber da ist es wahrscheinlich viel schwieriger, sich auch komplett

00:28:51: rauszuziehen, weil die Schülerinnen und Schüler jünger sind, noch mehr Betreuung brauchen und

00:28:56: wahrscheinlich ansprechbar sein muss. Sie haben ja diesen Raumwechsel mit dem Köfferchen unter

00:29:02: dem Arm. Haben Sie auch so schön beschrieben, über alles Auswärtsspiel. Das fand ich so eine

00:29:09: schöne Rede. Über alles Auswärtsspiel. Genau. Genau. Und genau so fühlt sich das oft an. Ich komme

00:29:14: irgendwo hin in einen Klassenraum, der mir nicht gehört und bin da erstmal fremd. Sie haben es

00:29:19: auch gerade beschrieben, manchmal ist ein Durcheinander da, da muss ich den Raum erst mal

00:29:23: herrichten. Ich muss mich orientieren, wo ist hier vielleicht mein Ruhe, Signal oder ähnliches.

00:29:28: Wenn ich dann gehe, muss ich alles wieder aufräumen. Also ich kann mich nicht unbedingt wohlfühlen und

00:29:32: ausbreiten in der Klasse, so als wenn ich in meinem eigenen Büro oder Arbeitszimmer bin. Ja. Und im

00:29:38: Lehrerzimmer scheint es auch so zu sein. Die meisten haben wohl ihren festen Platz, aber dann sitzt

00:29:43: da auch schon mal jemand oder da hat sich jemand anders ausgebreitet und da muss man den auch

00:29:48: erst mal wieder zurückerobern. Und das ist ja bei, selbst wenn Sie im Großraumbüro arbeiten,

00:29:52: dieser eigene Schreibtisch, das ist Tabu, das ist intim. Da würde auch der Leiter der Chef

00:29:59: nicht ohne weiteres einfach die Schublade öffnen. Das wäre schon übergriffig. Und all das gibt es

00:30:05: praktisch in der Schule nicht. Ich will, vielleicht haben Sie noch eine Frage dazu,

00:30:09: sonst komme ich noch mal zu den verschiedenen Qualitäten auch des Crowdings. Ja, also ich

00:30:15: wollte nur noch bestätigen, dass ich auf jeden Fall das auch so erlebe, dass wir unsere Selbstwahrnehmung

00:30:21: da echt ausschalten, viele von uns, gerade wenn es so um das Crowding geht. Also ich habe da gerade

00:30:26: eine Situation vor Augen, die bei uns im Lehrerzimmer immer wieder auftaucht. Das ist nämlich

00:30:31: wirklich sehr, sehr laut auch im Lehrerzimmer. Man unterhält sich mit Kolleginnen und da geht es

00:30:37: oft hoch her und dann kommen auch oft noch Schüler, die irgendwas wollen und dann steht auch noch die

00:30:43: Tür auf zum Flügel. Dann ist es richtig laut und ich bin dann ganz oft diejenige, die zur Tür

00:30:48: geht und sagt, ich muss erst mal die Tür zu machen, wir müssen noch hier ein bisschen Ruhe haben.

00:30:51: Und ich wundere mich dann oft, dass die anderen das gar nicht bemerken, dass es so laut ist.

00:30:55: Und so langsam wird mir das klar. Ja, erklären Sie gerne, wie... Ja, ich wollte nur sagen,

00:31:02: das ist ja genau der Punkt, dass das Crowding auch dann wirkt oder besonders dann wirkt, wenn man es

00:31:07: gar nicht wahrnimmt. Also man schützt sich nicht dagegen, sprich, man macht die Forten auf und

00:31:12: dass all diese sensorischen Reize, dieser Input kommen in einen hinein. Und ich finde, einige Dinge

00:31:21: sehr typisch als Reaktionen da drauf. Also man muss sich klar machen, es ist, selbst wenn es gut

00:31:27: läuft, wenn jemand, wenn Lehrer, Lehrerin nach Hause kommen, sagt, heute war ein super Tag, hatte er

00:31:32: oder sie schon ein bestimmtes Level an Hintergrundarbeit geleistet, die gar nicht in sichtbare

00:31:40: Arbeit mündet. Also so wie ein Hintergrundprogramm beim PC, der den Computer langsam macht. Viele

00:31:47: Pädagogen, Pädagoginnen haben mir erzählt, dass sie nach dem Mittagessen in ein Koma fallen. Oh ja.

00:31:53: Kennen Sie auch? Ich kenne das auch. Ich kenne das auch. Ja, auf jeden Fall. Also ich habe ja

00:31:58: mittlerweile gelernt, zwischendurch meine kleinen Poeschen zu machen, auch in diesem ganzen Trubel

00:32:02: im Unterricht. Aber ich hatte das früher auch und es ist wirklich so, wie Sie das beschreiben. Es

00:32:08: ist dann Koma. Also es ist so, ich nenne das immer den Notabschalte-Knopf. Ja, das ganze System

00:32:14: macht wirklich einmal so ein Shutdown, weil es einfach zu viel war. Und das versteht man dann,

00:32:19: wenn man sich klar macht, wie viel auch wirklich ungeheure Arbeit geleistet wird. Also schon im

00:32:27: Hintergrund und das muss ja die Person ständig machen. Also den ganzen Vormittag oder bis in

00:32:35: den Nachmittag hinein. Das Wesentliche ist eben, dass diese, dass viel physiologische Arbeit geleistet

00:32:42: wird. Das ist dem Lehrer, der Lehrerin nicht bewusst. Und natürlich heißt das, dass man dann

00:32:48: auch erschöpft ist. Und insofern ist es kein Wunder, dass allein wegen dieses Crowding,

00:32:53: Crowdings Burnout entstehen und vielleicht auch Depressionen entstehen. Es ist aber ja so,

00:33:02: dass Sie gesagt haben, den Lehrkräften ist es ja gar nicht so bewusst, was da alles auf Sie

00:33:09: einprasselt. Also es ist sogar so, Sie müssen genau das ja ausblenden und das gar nicht so sehr

00:33:16: wahrnehmen. Genau. Und wenn ich dann aber mittags nach Hause komme und bin so furchtbar erschöpft,

00:33:22: dann fange ich ja eher an, mir selbst Vorwürfe zu machen und mir zu sagen, was ist denn mit dir

00:33:28: eigentlich los? Du bist ja gar nicht richtig belastbar. Jetzt hast du einen halben Tag gearbeitet

00:33:32: und jetzt wirst du schon wieder müde. Das kann doch nicht sein. Ja, das ist bitter,

00:33:37: weil was stimmt nicht mit mir. Also ich mache es zu meinem Problem, zu meiner Schwäche. Ich

00:33:43: wollte noch ganz kurz vielleicht so auf dieses Crowding. Im Moment habe ich ja nur die normalen

00:33:48: und guten Situation angesprochen. Jetzt kommt ja hinzu, dass nicht nur, ich sag mal, der optische

00:33:56: Eindruck von Menschen ungehindert in einen hineinfließt über dieses Crowding, sondern es sind

00:34:02: ja alle sensorischen Kanäle belegt. Es sind sensorische, man riecht etwas, man fühlt etwas,

00:34:08: man wird angefasst, man sieht Leid in den Augen eines Kindes. Ein Schüler kommt mit ganz viel

00:34:18: Verzweiflung vielleicht zu jemanden oder mit einem ganz dringenden Bitte oder man sieht, wie

00:34:23: sich zwei prügeln und man muss dazwischen gehen. Also alle ganz viele von diesen sozialen Cues,

00:34:30: die man mitkriegt, bedeuten ja auch, ich muss was tun. Auf jeden Fall. Ich sollte was tun. Ja,

00:34:37: also manchmal ja auch absolut im positiven Sinne. Es passieren ja auch schöne Sachen. Kinder freuen

00:34:43: sich über was, wollen mir unbedingt was tolles zeigen, aber auch das nimmt mich ja auf jeden Fall

00:34:47: emotional in Beschlag. Und ich habe gerade schon verstanden, es geht gar nicht so sehr darum,

00:34:51: ob das jetzt positive, negative Kontakte sind. Es sind Kontakte, denen ich mich nicht entziehen

00:34:56: kann. Ich muss reagieren. Genau. Und das Erste, wenn Lehrerinnen und Lehrer merken, dass sie

00:35:02: nicht mehr können, wo reduzieren sie als erstes ihre Kontakte im Privatbereich? So ist das. Das

00:35:09: heißt, sie vereinsamen, sie können dann auch nicht mehr über ihre Dinge sprechen und dann sind

00:35:16: sie vielleicht schon in diesem Teufelskreis drin. Und dieses Crowding, das finde ich interessant,

00:35:21: finde ich noch. Ich habe das als Student in den 70er Jahren in den Lehrbüchern der Sozialpsychologie

00:35:29: gefunden. Da wurden wirklich solche Dinge auch beforst, wie im Fahrstuhl, lange Flure und so

00:35:37: weiter. Mittlerweile, ich habe irgendwie, ich glaube 2005 oder 2011, hatte ich nochmal ein

00:35:43: Artikel geschrieben, nochmal eine längere Referche gestartet. Ich habe das Thema Crowding in der

00:35:51: Forschung, was Schule betrifft, nicht mehr wiedergefunden. Das ist seit den 80er Jahren scheint es

00:35:59: verschwunden zu sein, außer in der Ökopsychologie, die sich zum Beispiel mit Stadtentwicklungen

00:36:05: beschäftigen. Also wie viele Menschen pro Quadratkilometer. Aber so da, wo es eigentlich hingehört

00:36:12: und beforst werden müsste, nämlich in der Schule, in Kindergärten, vielleicht auch in Kliniken,

00:36:17: Fehlerzeige. Und das, obwohl wir uns hier in Schleswig-Holstein 50 Prozent vorzeitige

00:36:25: Pensionierungen leisten, die müssen ja auch bezahlt werden. Und das finde ich so erstaunlich,

00:36:33: dass da nicht mal einer denkt, hoch, was ist da eigentlich los?

00:36:36: Jetzt haben wir schon sehr, sehr lange darüber gesprochen, was alles so anstrengend ist an

00:36:41: dem Beruf, was uns krank machen könnte. Und in diesem Podcast geht es eigentlich,

00:36:48: nee, ohne eigentlich, geht es immer darum, positive Impulse zu setzen und zu gucken,

00:36:54: so, wo können wir ansetzen, wo sind unsere Handlungsspielräume, was können wir verändern?

00:36:58: Und da möchte ich mit Ihnen unbedingt schauen, was können wir verändern? Viele hören vielleicht

00:37:03: auch zu und sagen jetzt, also was die da berät, diese ganzen Probleme, das kenne ich überhaupt

00:37:08: nicht. Die können sich ja auch mal fragen, ob es vielleicht tatsächlich so ist, dass

00:37:12: sie auch vieles von dem einfach abschalten, was ihres Apps Wahrnehmung angeht. Das könnte

00:37:17: dann auch eine spannende Frage sein, sich da mal selbst zu erforschen. Ja, ja, was, was

00:37:25: führt daraus? Sie nennen es das Prinzip Mimose. Muss ich zur Mimose werden, um dann langfristig

00:37:33: gesund zu bleiben in diesem System? Wie geht das? Ja, das ist tatsächlich so, dass immer

00:37:40: die erste Arbeit war mit fast allen Lehrerinnen und Lehrern in meiner Therapie, nämlich dass

00:37:46: man offiziell würde ich das jetzt Sensibilisierung nennen, also nicht Desensibilisierung, aber

00:37:53: eigentlich ist es ja richtig. Man soll wirklich empfindlich werden und ich habe dieses Wort

00:37:59: Mimose geprägt, einfach um so ein bisschen die Leute auch gegen den Strich zu bürsten

00:38:04: und das auch mit einem dicken Ausrufezeichen zu versehen und auch zu sagen, es ist in Ordnung,

00:38:10: selbst wenn andere vielleicht von dir sagen würden, Mensch, du stellst dich aber an, du

00:38:16: darfst das. Ja, und das ist ein wirklich kleinschrittiges Training. Ich kann jetzt auch nicht sagen,

00:38:24: das macht man jetzt genauso und so, sondern das ist in jedem Einzelfall etwas, was man

00:38:28: in vielen kleinen Schritten erarbeiten muss und ich fange oft damit an, dass ich sage,

00:38:36: alles was uns begegnet, wird ja mit einem Gefühl belegt oder wir haben eine emotionale

00:38:44: Reaktion. Eine emotionale Reaktion ist immer eine Bewertung und das Grundlegende dieser

00:38:51: Bewertung ist positiv oder negativ. Natürlich gibt es alle möglichen Sachen dazwischen. So,

00:38:58: dann sage ich, wie findest du die Farbe dieser Vorhänge? Man sagt, der Betreffende weiß

00:39:03: ich nicht. Und dann versuche ich wirklich mit dem Betreffen daran zu arbeiten, dass

00:39:09: er erstmal wieder Bewertungen abgibt, emotionale Bewertung, denn das ist ja, Gefühle sind ja

00:39:15: nichts anderes als, das ist gut, das ist schlecht, das mag ich, das mag ich nicht. Weg damit,

00:39:21: her damit. Und genau das ist ja das Problem, dass im Berufsalltag die Lehrkraft nicht

00:39:28: sagen kann, weil sie es nicht fühlt, nämlich das ist mir zu viel, sondern eben quasi neutral

00:39:38: gegenübersteht. Ich will das mal an einem Beispiel sagen, ich habe ja auch so ein Knutschzonenmodell,

00:39:43: ich weiß nicht, ob wir da noch drauf zu sprechen kommen. Vielleicht folgt ein Beispiel, Lehrer

00:39:49: in Elternabend, ein Vater eines Fühlers sagt zu der Lehrerin, warum haben sie beim Schüler

00:39:56: eigentlich nur eine Dreiegeben? So, dann merke ich, ich habe das oft auch als Teil nehmender

00:40:04: Vater gemerkt, mitgekriegt, die Stimme, der Lehrkraft geht einen Ton hoch, das zeigt Stress.

00:40:11: Er sitzt schon auf dem Anklagebank. Was der Betreffende nicht macht oder die Betreffende ist, das

00:40:20: zurückzuweisen und zu sagen, hey, wie reden Sie eigentlich mit mir? Oder sagen Sie doch mal genau,

00:40:25: was Sie möchten oder mir gefällt das nicht? Oder denken Sie, dass Sie das besser können? Ja,

00:40:34: also in dem Moment, wo der Betreffende anfängt, eine Erklärung zu geben, sitzt er oder sie schon

00:40:42: auf der Verteidigungsbank und steht schon unter Stress. Also dieses Dissidentifizier, dieses,

00:40:48: das will ich nicht, das mag ich nicht, das ist nicht gut, Grenzensätze. Das ist nicht abgrenzen,

00:40:52: ja. Das passiert nicht. Ja, und wenn wir jetzt mal bei meinem Lieblingsbeispiel pausen, dann würde ich

00:41:00: das jetzt so verstehen in Ihrem Modell, dass Sie erst mal sagen, also ich muss überhaupt erst mal wieder

00:41:05: sensibel dafür werden, wann brauche ich denn pausen, wann ist mir was zu viel? Das würde ja auch so in

00:41:13: Richtung Achtsamkeit, Achtsamkeitspraxis gehen, also mich dazu sensibilisieren. Aber dann käme

00:41:20: schon was anderes als in der Achtsamkeit immer eine Bewertung dazu dessen, was ich wahrnehme. Also

00:41:25: ich ordne das dann auch für mich ein, mir geht es jetzt gerade gut, mir geht es nicht so gut. Ich

00:41:29: brauche jetzt zum Beispiel eine Pause. Jetzt stoße ich da ja im System Schule ziemlich schnell an

00:41:36: meine Grenzen, weil wenn ich jetzt auf einmal anfange, mir pausen zu gönnen, ja, wo kommen wir

00:41:42: da denn hin? Dann müssen ja meine Kolleginnen und Kollegen womöglich mehr arbeiten. Wenn ich jetzt

00:41:47: sage, nee, also jetzt in der Pause habe ich aber gerade keine Zeit über eine Schülerin zu sprechen,

00:41:53: das mache ich jetzt nicht. Da müssen wir hinterher am Nachmittag noch mal telefonieren. Oh Gott.

00:41:57: Also ich stoße auf jeden Fall ganz schnell auf Widerstand und da wird es ja schon für viele

00:42:03: schwierig, die Selbstversorge auch praktisch umzusetzen. Und da müssen wir Psychotherapeuten

00:42:11: uns an die eigene Nase fassen. Wir sagen immer so leicht, ja, du musst dich abgrenzen, du musst

00:42:15: Pause machen, du musst auf deine Bedürfnisse achten, aber Pustekuchen, das ist nicht so leicht. Ich

00:42:22: kann nur sagen, es ist ungenau wichtig auch als Therapeut das ernst zu nehmen. Also wenn eine

00:42:27: Lehrer sagt, ja, ich kann doch nicht einfach jetzt Pause machen, dann muss mein Kollege,

00:42:34: meine Kollegin das machen und dann bin ich ganz schnell unten durch. Also so einfach ist es nicht,

00:42:40: sondern was man langsam machen kann ist, dass man, dass ich als Therapeut mein Gegenüber ermutige,

00:42:46: mal eine Schwäche zu sagen, mal ein Bedürfnis zu sagen und dann aber auch die Frage zu stellen,

00:42:53: wie geht es dir damit? Und sozusagen sich immer mehr als positives Beispiel zu sehen und vielleicht

00:43:00: zu fragen, sag mal, geht es dir nicht auch so und wollen wir nicht mal zusammen, punkt,

00:43:06: punkt, punkt und selbst wenn es erstmal nur zwei Personen sind oder ein Grüppchen von vier Personen,

00:43:11: das wäre ja schon ein Anfang. Abgesehen davon ist es nicht immer so, dass der andere Kollege

00:43:19: dann meine Arbeit mitmachen muss. Ich habe ein sehr schönes Beispiel mal erlebt mit einem

00:43:24: Grundschullehrer, der Panikzustände hatte und die kriegte er immer im Klassenraum. Das Gefühl

00:43:31: so, jetzt muss ich 45 Minuten hier sein, ich kann nicht raus. Was mache ich, wenn so eine Panik

00:43:36: kommt? Gut, ich habe mit ihm Bewältigung Strategien erarbeitet und was dann seine Idee war, ich

00:43:42: fand es großartig, erzählte mir dann eine, in einer Stunde, er hätte sich einen Sessel in

00:43:48: die Klasse, in den Klassenraum gestellt und er hat den Kindern gesagt, also in der Grundschule

00:43:53: wohlgemerkt, pass mal auf, immer wenn ich mich hier hinsetze, heißt, das mir geht es nicht gut,

00:43:57: ich brauche mal ein Minütchen für mich. Dann hat er sich so ein bisschen zurückgelehnt, hat dann die

00:44:04: Atmung gemacht, die wir geübt haben und die Kinder haben das toleriert, die sind nicht außer

00:44:10: Rand und Band gewesen. Das passierte Folgendes, eines Tages machte er das wieder, die Tür

00:44:16: vom Klassenraum war offen und da kam ein Kollege vorbei, schaute rein, ging weiter,

00:44:23: kam wieder zurück, schaute nochmal rein, ging aber dann ohne ein Wort zu sagen weiter und dann

00:44:31: hatte dann eben mein Patient erzählt, im ersten Moment dachte, ob ich Gottes will, jetzt hat mein

00:44:36: Kollege das gesehen, wie peinlich und hat sich dann aber innerlich so ein bisschen am Riemen

00:44:41: gerissen und diesen Kollegen nochmal angesprochen, du hast mich da so gesehen, was hast du da gedacht

00:44:47: und dann sagte dann dieser Kollege, erstmal war ich ganz irritiert, aber dann habe ich gedacht,

00:44:53: Mensch, der macht das richtig. Und das sind so kleine Beispiele, wo man auch in diesen

00:45:01: Krankensystemen, Schule, so kleine Gesundheitshandlungen, sage ich mal, vollziehen kann und nicht

00:45:10: in jedem Fall zum Ärger des anderen. Und Sie sagen auch was ganz Wichtiges, also damit bin ich

00:45:16: eventuell auch Vorbild für andere und zwar nicht nur für Kolleginnen und Kollegen, sondern auch für

00:45:22: die Kinder, die da in der Klasse sitzen. Das sage ich ja auch immer wieder, wir dürfen nicht vergessen,

00:45:27: was wir auch unseren Schülerinnen und Schülern mitgeben, wenn wir selbst für Sorge für uns

00:45:31: praktizieren. Ich bin ich möchte da so ein kleines Bedenken äußern, weil das ist ja immer der

00:45:42: eigentliche, der einzige Grund, den man anführen kann, damit man überhaupt als Lehrer ein bisschen

00:45:48: was Positives für sich argumentieren kann. Und ich sage, wir sollten gerade aufhören damit,

00:45:55: andere Dinge vorzuschieben. Natürlich haben Sie völlig rechteinhaltig, natürlich sollen

00:46:00: die Kinder das bitte auch lernen, aber ich als Betroffener brauche doch nicht jemand anders,

00:46:06: um zu sagen, hier es geht um mich. Wir sehen das jetzt in der Corona-Situation, wo sind

00:46:12: wo sind die Artikel in der Zeitung, wo sind die Berichte im Fernsehen, darüber wie beschissen

00:46:17: es den Lehrern oft geht jetzt. Und ich glaube, man ich habe dann immer gesagt auch zu meinen

00:46:24: Patienten, es gibt so einen pädagogischen Grundsatz, die elfte mehrgartische Regel. Was immer du tust,

00:46:32: als Pädagoge, als Pädagogin im Vordergrund steht das eigene Wohl. Das kannst du doch nicht sagen,

00:46:39: oder können Sie doch nicht sagen, das geht auch gar nicht, weil das jeder machen würde. Ich sage

00:46:44: ja nicht, dass man jetzt völlig rücksichtslos sein muss, aber ich kann doch meinen Unterricht

00:46:49: lernen, so zu planen, dass es mir gut geht dabei. Und wenn ich habe zum Beispiel einen Patienten

00:46:57: gehabt, dem war es immer unheimlich wichtig, dass er in einem guten Kontakt zu den Schülern war. Für

00:47:02: den war es wirklich überlebenswichtig, dass er immer wieder die Schüler fragte, so wie fandet

00:47:08: ihr das bis jetzt, kommt ihr mit. Also das, was viele ja sowieso machen. Aber er brauchte das als

00:47:14: eine Art Beziehungsbestätigung. Dann fühlte er sich wieder sicher, selbst wenn auch was Kritisches

00:47:20: kam, das war gar nicht schlimm. Aber dass er diesen Kontakt aufnehmen konnte. Und so was meine ich

00:47:27: zum Beispiel. Also es geht, wenn ein Lehrer seinen Unterricht macht, was ist falsch daran zu sagen,

00:47:33: ich plane das so, dass mein Wohl an erster Stelle steht. Denn wenn ich krank bin, kann man nur sagen,

00:47:40: ein kranker Lehrer ist ein schlechter Lehrer oder eine tote Lehrerin ist eine noch schlechter Lehrer.

00:47:45: Absolut, ja. Also da sind wir ganz auf einer Linie, das sehe ich ganz genauso. Und das versuche ich auch

00:47:51: tatsächlich schon den Lärmsanwärterinnen und Lärmsanwärtern in der Ausbildung mitzugeben.

00:47:56: Ja, das finde ich gut. Hier hört man ganze andere Geschichten. Ja, dass die Unterricht nicht nur so

00:48:02: planen, dass er dann für die Kinder schön ist, sondern auch immer gucken, wo kann ich auch im

00:48:07: Unterricht Ruheinseln für mich einplanen. Wir nennen das immer so Handlungsroutinen zur

00:48:12: Lehrkräfteentlastung. Also das heißt so Handlungsroutinen, Rituale, wo ich dann als Lehrerin

00:48:18: auch mal sagen kann, so das läuft jetzt von selbst wie am Schnürchen und ich atme mal eben kurz

00:48:23: durch und check mal so meinen Körper durch. Wie geht es mir denn eigentlich gerade? Das ist wichtig,

00:48:29: so was auf dem Schirm zu haben und einzuplanen. Ja, ich wollte auch kurz sagen, wir waren ja

00:48:36: bei dem Thema, was tue ich eigentlich? Also wir haben über die ganzen Belastungsfaktoren gesprochen

00:48:41: und jetzt eben die Frage, wie kommt man daraus? Dieser Aufbau von Sensibilität,

00:48:48: dem eigenen Empfinden gegenüber, bitte ganz viel Zeit nehmen, ganz viel Geduld mit sich haben.

00:48:55: Das braucht einfach seine Zeit, wenn jemand in Therapie geht, dafür gehen auch Stunden über

00:49:01: Stunden drauf. Das darf auch so sein. Etwas Zweites finde ich ganz wesentlich, dass viele Lehrer eben

00:49:09: auch, ich glaube ich sagte das vorhin schon mal lange krankgeschrieben sind. Also man braucht ein

00:49:14: halbes Jahr manchmal oder ein Jahr und es gibt immer wieder auch Kolleginnen und Kollegen oder

00:49:20: Patienten, Patienten von mir, die dann irgendwann in den vorzeitigen Ruhestand gegangen sind und

00:49:26: das war die Rettung für sie. Wenn ich jetzt vielleicht noch gar nicht so krank bin, sondern

00:49:32: einfach nur denke so, ich merke nur, ich bin mittags echt kaputt. Ich habe dann auch manchmal

00:49:37: gar keine Lust mich nochmal hinzusetzen und Unterricht zu planen. Also Hilfe zu Selbsthilfe

00:49:43: wäre auf jeden Fall überhaupt erstmal sich wieder Zeit für sich selbst zu nehmen und wirklich mal

00:49:48: eigene Bedürfnisse wahrzunehmen und eben auch nach außen hin zu kommunizieren. Und Kollegen

00:49:56: gegenüber uns zu sagen, ich brauche jetzt mal eine Pause, hab Goldkopfschmerzen, mir geht's grad

00:50:02: nicht so gut, mir ist der Lärm zu viel. Das wären auch erste Schritte, richtig? Auf jeden Fall.

00:50:07: Genau und ich glaube es ist vielleicht auch hilfreich. Ich merke immer wieder, dass Patienten, also

00:50:13: Lehrerinnen und Lehrer, die zu mir kamen, sehr dankbar sind, wenn man erstmal auch die Situation

00:50:18: so beschreibt auf eine Art und Weise, die sie noch nie so gehört haben. Insbesondere mit dem

00:50:26: Crowding. Das heißt also, dass man anfängt sich zu verzeihen, dass man so erschöpft ist, dass

00:50:34: man nicht mehr kann und dass man dann auf diesem Weg dazu kommt, zu sagen ja, auch wenn es heute

00:50:39: kein besonders schlimmer Tag war. Es ist in Ordnung, ich brauche jetzt mein Schlaf und ich möchte

00:50:45: jetzt gerne eben auch gut auf mich auftassen und muss mich und darf mich abgrenzen nach außen.

00:50:54: Sehr schön. Ja ein sehr, sehr schönes Schlusswort. Ich wollte Sie eigentlich so wie ich das alle,

00:51:00: meine Podcastgäste zum Ende immer noch frage, um einen Spruch bitten, nämlich einen Spruch,

00:51:07: den Sie auf alle Tafeln schreiben würden, die vor Deutschlands Schulen aufgestellt werden. Also

00:51:13: stellen Sie sich vor, Sie dürfen eine Tafel aufstellen und überall steht jetzt derselbe

00:51:18: Spruch drauf. Sie haben gerade schon so einen schönen gesagt, da habe ich gedacht, oh, den können

00:51:21: wir direkt schon nehmen. Ja, helfen Sie mir mal weg. Als Sie gesagt haben, also alles, was ich im

00:51:27: Unterricht tue, soll vor allem erst mal meinem eigenen Wohl dienen. Das wäre schon so ein Spruch.

00:51:33: Den würde ich da glatt drauf schreiben oder haben Sie noch einen besseren für uns, so ganz spontan?

00:51:37: Fällt mir jetzt so spontan nicht ein. Das ist ein Spruch, den ich für mich sehr gerne mag,

00:51:42: ist, ich bin immer fröhlich, wenn es regnet, denn wenn ich nicht fröhlich wäre, würde es ja auch

00:51:48: regnen. Das ist schön. Von wem ist er noch mal? Also ich glaube von Valentin, Karl Valentin. Ja,

00:51:54: von irgendeinem Dicht auf jeden Fall. Ja, sehr schön. Weil ich den so optimistisch finde und auch so

00:52:00: diese Neigung, so das eigene Wohl oder schlechte Gefühle, Befindlichkeit so auf äußere Dinge

00:52:07: zu schieben, zu lausen, es regnet, es ist so grau draußen und deshalb kann es mir ja nur schlecht

00:52:13: gehen. Genau. Und könnt ihr auch sagen, es regnet und zum Glück muss ich nicht zum Strand. Genau.

00:52:19: Sehr schön. Ja, ich glaube, wir könnten auch sehr, sehr lange weiter sprechen, Herr Mergert,

00:52:26: ganz bestimmt. Aber ich denke, für heute haben unsere Hörerinnen und Hörer schon eine ganz

00:52:31: Menge neuen Input mitbekommen und ich danke ihnen dafür, dass sie das alles so ausführlich und

00:52:37: auch mit so lebendigen Beispielen hier gefüllt haben. Ich würde auch sehr, sehr gerne noch ihre

00:52:44: Homepage verlinken. Da finden wir ja auch die Artikel, die sie geschrieben haben. Ja, gerne.

00:52:48: Wer das nochmal genauer nachlesen möchte in aller Ruhe, kann das auch tun. Ja, und ansonsten

00:52:55: würde ich erst mal sagen, ganz herzlichen Dank. Ja, ich danke Ihnen auch und viel Erfolg für Ihre

00:53:00: Arbeit und ich finde es toll, dass Sie das so was gibt, dass Sie so was machen. Ja, herzlichen Dank

00:53:06: und viele Grüße nach Nürnbeck. Also, ich weiß ja nicht, wie es dir geht, nachdem du dieses

00:53:13: Interview gehört hast und mal gehört hast du jemand, der von außen auf unser System Schule

00:53:19: guckt, wie der Schule sieht und unsere Arbeitsbedingungen. Also, mich hat dieses Gespräch mit

00:53:26: Michael Merger sehr beeindruckt. Mich hat es auch schon sehr beeindruckt, seine Artikel zu lesen

00:53:30: und das hat in mir wirklich nochmal was in Bewegung gebracht. Das merke ich. Mir ist klar

00:53:37: geworden, erstens natürlich, warum ich eigentlich nach der Schule jedes Mal so KO bin und so

00:53:44: ausgepowert bin, dass bei mir echt nur noch der Notabschalteknopf, nämlich Mittagsschlefchen,

00:53:49: hilft. Ich werde mir ab jetzt das Mittagsschlefchen mit viel, viel besserem Gewissen gönnen. Ich

00:53:55: verlinke dir auch mal den Show notes, übrigens die Podcast-Folge dazu, wenn dich das auch interessiert.

00:53:59: Aber es ist noch was in Bewegung gekommen bei mir und das ist die Erkenntnis, dass wirklich das

00:54:08: System Schule ist, was uns so viel abverlangt. Der Fehler steckt tatsächlich im System, wenn

00:54:15: wir merken, Mensch, wir können einfach nicht mehr, wir sind am Limit. Das ist auch tatsächlich

00:54:20: einfach viel zu viel, was uns da abverlangt wird und was wir uns selber manchmal abverlangen. Und

00:54:26: wir versuchen oft noch das dann auszugleichen mit besserem Zeitmanagement und ähnlichem. Das

00:54:31: kennst du alles. Ich glaube, das einzige, was hilft, um in so einem herausfordernden Umfeld überhaupt

00:54:42: gesund zu bleiben, das ist radikale Selbstfürsorge. Und dazu werde ich nächstes Mal eine Podcast-Folge

00:54:51: machen. Ich lass das bei mir noch ein bisschen wirken und dann hörst du, was bei mir dabei

00:54:54: herausgekommen ist. Wenn du Lust hast, dich bis dahin über diese Podcast-Folge auszutauschen,

00:54:59: dann schreibst du mir entweder eine Mail an Martina@diekleinepause.de oder du kommst in die

00:55:07: Facebook-Gruppe zum Austausch. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns da wieder treffen. Ja,

00:55:12: bis zum nächsten Mal. Ich wünsche dir, dass du bis dahin gesund bleibst. Passt gut auf dich auf

00:55:17: und denk immer dran, schultern runter, lächeln, atmen.

00:55:21: [Musik]

00:55:48: [Musik]

00:56:10: [Musik]

Über diesen Podcast

„die kleine Pause“ verbindet Wissen und Inspiration rund um das Thema Lehrkräftegesundheit.

Hier bekommst du alltagstaugliche Anregungen zu aktiver Selbstfürsorge & klarer Selbstorganisation und Praxis-Tipps für entspannteres Unterrichten.

Ich teile mit dir meine Erfahrungen aus Schule, Lehrkräfteausbildung und Coaching. Außerdem gibt's inspirierende Interviews mit Expert:innen und Alltagsheld:innen.

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Weitere Infos zu mir und meiner Arbeit: https://www.diekleinepause.de/

von und mit Martina Schmidt

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